Aus dem Farbkasten meiner Seele

Wieso schläft die Angst in meinem Bett?

Zuerst fand ich ein Krafttier - die Krähe. Das sind tolle Vögel. Schlau und intelligent und kreativ. Genau die Kräfte, die ich brauche. Wusstet Du, dass Krähen nicht nur ihre Nuss auf die Straße werfen, damit die Autos sie beim Drüberfahren knacken? Nein, sie machen das auch an einem Fußgängerüberweg, weil sie wissen, dass die Autos dort manchmal anhalten und sie so wieder an ihre Nuss herankommen - ohne die Gefahr, überfahren zu werden. Schlaue Tiere. Und ein tolles Krafttier.

Doch heute geht es ja nicht um meine Kraft, sondern um meine Angst. Und zu ihr gehört auch ein Tier. Nämlich ein Oktopus. Er tauchte plötzlich auf - einfach so. Jemand empfahl einen Film bei Netflix, ich sah das Buch von Montgomery im Buchladen, und ich entdeckte es auf einem Bild von Christiane Holsten. Sie ist Künstlerin, und arbeitet u.a. mit Krafttieren und ihren Bedeutungen für das eigene Leben. Das besagte Bild war ein abstraktes Kunstwerk mit Schatten, in denen es möglich war, verschiedene Tiere zu erkennen. Ich entdeckte die Tentakel eines Oktopus. 

Da war er also, der Oktopus. Und etwa zeitgleich kam das Thema Angst auf. Denn ich hatte vor, mein Kinderbuchmanuskript an eine Agentin zu versenden, aber es fiel mir sehr schwer. Zunächst war mir das nicht bewusst, doch als mir Christiane den Hinweis gab, der Oktopus könne mit dem Thema Angst zusammenhängen, wurde es mir klarer. 

Wovor hatte ich denn Angst? Ich wollte es genauer wissen und tauchte tiefer in die Angst ein. Fragte sie, was sie eigentlich von mir wollte. Dafür nutzte ich assoziative Schreibübungen, die die eigene Intuition ansprechen. Ich liebe diese Art des „Schreibdenkens“. Sie ermöglichen es mir, schreibend mit meinem Unterbewusstsein Kontakt aufzunehmen und so zu sehen, was noch in mir steckt. Dadurch kann ich mir viel besser selbst zuhören und fühlen, was ist. Und so kam ich meiner Angst immer näher. 

Dann kam mir mein rosa Plüsch-Oktopus in den Sinn. Den hatte ich vor ein paar Jahren auf einer Reise nach Norwegen entdeckt und musste ihn einfach mitnehmen. Seitdem schläft er in meinem Bett. War ich mir selbst da schon wieder voraus gewesen? Jedenfalls wurde der Plüsch-Oktopus zum Symbol meiner Angst und wir „unterhielten“ uns ausgiebig. 

Irgendwann hatte ich die Botschaft entschlüsselt. Sie möchte mich beschützen. Sie? Ja, genau. Sie ist ein Mädchen. Mit all ihren Armen hält sie die Menschen fern, die mir nicht wohl gesonnen sind. Ganz tief in ihr drin steckt ganz viel Liebe für mich und die Welt der Kreativität. Manchmal hält sie leider auch die guten Menschen von mir ab, obwohl es doch auch ihr größter Wunsch ist, dass ich Menschen um mich habe, die mich unterstützen. Menschen, die sich für das interessieren, was ich tue und die sehen wollen, wie ich den nächsten Schritt mache. 

 

Hier habe ich sie skizziert. Darf ich vorstellen? „Skrik“ ist ihr Name, das ist norwegisch für Schrei. Das gleichnamige Bild von Edward Munch wurde von der norwegischen Sängerin Kari Bremnes vertont und ist eines meiner Lieblingslieder. Es passt zu ihr. Skrik - mein Plüschoktopusmädchen. Meine Angst. Sie ist ganz weich und kuschelig. Und sie schläft in meinem Bett.

Eigentlich ist sie gar nicht so schlimm. Ich kann sie umarmen und mit ihr kuscheln. Und mein Manuskript habe ich inzwischen abgeschickt. Das war dann doch ganz einfach. Denn bei genauer Betrachtung war es nur Skrik, die mich davor bewahren wollte enttäuscht zu werden.

Ich habe mir meine Angst bewusst gemacht. Sie gesehen und aufmerksam Zeit mit ihr verbracht, und dann durfte sie gehen. Ein Teil von ihr lebt weiter. In einem kuscheligen Oktopus. Und der schläft in meinem Bett.

Ist es nicht großartig? Eine kuschelige Angst in meinem Bett. 

2 comments on “Wieso schläft die Angst in meinem Bett?”

  1. Liebe Antonia,
    was für ein wundervoller Artikel - jenseits vom üblichen Bla Bla! Du schaffst es, das Thema Angst, das uns alle mal mehr und mal weniger umtreibt, ganz persönlich zu erzählen und mir so ganz nah zu werden. Ganz nebenbei finde ich noch Tipps zum Umgang mit meiner eigenen Angst - was für ein Tier ist sie? Ich weiß es, eine Schlange! Sofort geht der Prozess los... wie zähmt man Schlangen?
    Vielen Dank für deine Inspiration!

  2. Liebe Antonia,
    was für ein wunderbarer Text. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie es dir gelungen ist mit Skrik in Kontakt zu treten. 🙂
    Ich werde mich in einer ruhigen Minute auch einmal meinen Geistern und Tieren widmen.
    Ganz lieben Dank für diesen tiefen und ehrlichen Einblick in den Farbkasten deiner Seele und auch erfrischenden Text und die damit verbundene Inspiration.

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