Mein Kopf ist schnell - richtig schnell. Wenn er auch nur ein kleines bisschen Raum für Kreativität entdeckt, sprudelt er los. Wie ein Feuerwerk explodieren die Gedanken - und das manchmal sogar während ich eigentlich dolmetsche und mit einem anderen Thema beschäftigt bin.
Doch da ist auch ein Teil von mir, der ganz langsam ist. Langsam im Ordnen und langsam im Umsetzen. Wenn da nämlich diese ganzen Ideen um mich schwirren wie flatternde Falter, kann ich mich nur schwer konzentrieren und einen klaren Gedanken zu fassen. Dann ist es für mich schier unmöglich zu entscheiden, was nun als Nächstes dran ist. Den nächsten Schritt zu finden.
In der Achtsamkeits- und Meditationspraxis spricht man oft vom „Monkey Mind“ - dem „Affengeist“. Das sind all die Gedanken, die kreisen und einen nicht zur Ruhe kommen lassen. Beim Meditieren nimmt man sie wahr und lässt sie dann wieder gehen. Denn es sind „nur“ Gedanken. Aber ganz ehrlich - auf die meisten Gedanken kann ich verzichten. Doch auf meine Ideen? Die will ich ja nicht loslassen. Die sind toll und wertvoll. Die könnten etwas bewirken.
Kennst du das Bilderbuch „Was macht man mit einer Idee?“ von Kobi Yamada & Mae Besom
(Übersetzung: Michael Keusch)? Das ist eins meiner Lieblingsbücher. Zu Beginn sind die Illustrationen in schwarz-weiß. Die Idee, die in dem Buch als kleines Ei mit einer goldenen Krone auftritt, ist von Anfang an bunt und begleitet die Hauptperson, die zunächst gar nicht weiß, ob sie die Idee wirklich haben möchte. Doch dann am Ende wird alles bunt, denn eine Idee verändert die Welt.
Ideen verändern die Welt. All die Ideen in meinem Kopf haben das Potenzial, die Welt zu einem noch schöneren Ort zu machen.
Bei Edward de Bono habe ich zwei wertvolle Fragen gefunden, die ich mir manchmal stelle:
- Ist es gut in sich?
- Ist es gut für mich?
Mit der ersten Frage schaue ich, ob meine Idee wirklich gut sind. Gut in sich - das bedeutet für mich: gut für die Menschen, gut für die Welt. Die meisten meiner Ideen fallen darunter, da ich niemandem etwas Böses wünsche. Eigentlich mag ich sogar die meisten Menschen. Meine Ideen sind gut in sich.
Nun, ich habe also diese vielen Ideen. Mein Kopf ist schnell und rast. Und dieser Teil von mir muss lernen auszuhalten, dass ich an anderer Stelle eben auch einfach langsam bin. Langsam im Ankommen im Jetzt. Und vor allem Langsam in der Umsetzung der Ideen.
An dieser Stelle kommt die zweite Frage ins Spiel. Ist es gut für mich? Klar finde ich meine Ideen gut. Brillant sogar. Eine Badekugel in Form eines riesigen Teebeutels? Großartige Idee. Doch ist es wirklich gut für mich, dieser Idee sofort zu folgen?
Vermutlich nicht, denn es verhindert, dass ich der Idee davor weiter meine Konzentration schenke und die hat ja auch schon dafür gesorgt, dass die Idee davor nicht weiter verfolgt wurde… Denn das Umsetzen einer Idee braucht Zeit. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht. Möglicherweise müssen so viele Dinge bedacht werden, dass sich nur ganz kleine Schritte machen lassen. Wie kann ich an dieser Stelle also meine Langsamkeit und mein Ideenreichtum aushalten?
Indem ich mir ein Ideenbuch gestalte und mir einen Moment Zeit nehme der entsprechenden Idee Raum zu geben. Dafür nehme ich ein großes Notizbuch (A4), idealerweise mit Blanko-Seiten, und breite die Idee auf einer Doppelseite aus. Ich klebe, male, bastle, schreibe und lasse so all meine Gedanken zu der Idee aufs Papier fließen. Das kann inhaltlich alles komplett fiktiv und ausgedacht sein, oder auch ganz konkrete Rechercheergebnisse zeigen, wie z.B. eine erste Zielgruppenanalyse. Was auch immer mit der Idee zusammenhängt! Auf einer meiner Ideenseiten klebt zum Beispiel das Periodensystem der Elemente, weil ich das zur Ausgestaltung der Idee bräuchte.
Bisher führe ich so ein Ideenbuch für all meine Buchideen. Nun ist es wohl an der Zeit, auch den anderen Ideen ein Zuhause zu geben. Das ist nämlich genau das, was passiert. Die Idee bekommt einen eigenen Raum, und der ist nicht mehr unbedingt in meinem Kopf. Der Affengeist kann die Idee loslassen, und doch verschwindet sie nicht. Ich kann jederzeit mein Ideenbuch aufschlagen und die Idee wiederfinden. Durch dieses mentale Abladen der Idee kann ich meine eigene Langsamkeit besser aushalten.
Ein Beispiel: Die Idee einen Blog zu schreiben, habe ich schon ganz lange - genau genommen hatte ich sogar schon mal einen Blog. Aber ich habe es irgendwann nicht mehr geschafft meine Gedanken in Artikel zu fassen, und habe dann wieder damit aufgehört. Die Idee es erneut mit dem Bloggen zu probieren, ist ein paar Jahre alt. Der konkrete Name und Slogan ist vor etwa einem Jahr entstanden. All die Ideen für Artikel habe ich in einem Blog-Ideenbuch festgehalten. Irgendwann habe ich dann mit einzelnen Artikeln angefangen. Seit letztem Sommer ist der Blog nun online. Und auch wenn mein Kopf voller Ideen ist: mehr als einmal im Monat einen Artikel zu schreiben ist zu viel für mich. Einmal im Monat ist genau das Tempo, das ich schaffe. Genau so langsam bin ich.
Und auch wenn es manchmal echt schwer ist das auszuhalten, geht es mir damit momentan ganz gut. Denn als selbständige Mama und Creatrix bleibt mir gar nicht so viel Zeit für Ideen und Ziele. Ich kann nicht alles machen. Und erst recht keine zehn Stunden am Stück an einer Sache arbeiten - also bleibt nur die Langsamkeit. Es hilft mir, feste Zeiten zum Schreiben einzuplanen. Wie das CoWriting am Freitag - dort entstehen meistens die Blogartikel hier. Auch wenn eine Woche mal wieder durcheinander und so turbulent ist, dass mein Affengeist nicht zur Ruhe kommen kann, schreibe ich am Freitagvormittag und bringe mein Schreiben damit voran.
Und dann kann ich neben dem Ideen-Feuerwerk auch meine Langsamkeit aushalten, denn ich sehe, dass es voran geht, auch wenn es langsam geht.
Toller Artikel, liebe Antonia! Der Begriff "Affengeist" gefällt mir sehr gut, den kannte ich noch nicht, und er fühlt sich auch so passend für mich an 🙂 Danke dafür!